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Anpassung an den Klimawandel: Folgen für Gewässer sorgfältig abwägen

Dass sich der Klimawandel auf Qualität und Ökologie von Gewässern auswirkt, ist bekannt. Forschende der Eawag zeigen nun auf, dass es für unsere Wassersysteme mindestens genauso entscheidend ist, mit welchen Massnahmen der Mensch auf das veränderte Klima reagiert – etwa in der Landwirtschaft oder bei der Wasserkraft.

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Bild: M. Bolliger

Als im Sommer 2000 das Thermometer in Kalifornien immer höher kletterte, bekamen das auch die Lachse im Klamath River zu spüren: Das warme Wasser störte ihre Wanderungen dermassen, dass sich ungewöhnlich viele Fische auf engem Raum ansammelten – ein gefundenes Fressen für Krankheitserreger. Gleichzeitig leiteten die Bauern Wasser auf ihre dürren Felder, worauf der Fluss noch weniger Wasser führte als zuvor. In der Folge fanden bis zu 70'000 Fische den Tod. Wie sich später herausstellte, wäre es nicht zu diesem Lachssterben gekommen, wenn die Landwirte weniger Wasser für die Bewässerung abgezweigt hätten.

In einer kürzlich publizierten Studie verwenden Forschende der Eawag dieses eindrückliche Beispiel, um deutlich zu machen, dass nicht nur der Klimawandel an sich unsere Gewässer beeinflusst. Anhand umfangreicher Literaturrecherchen sowie Experteninterviews kommen die Forschenden zum Schluss, dass mindestens genauso entscheidend ist, mit welchen Massnahmen der Mensch auf das veränderte Klima reagiert, ob er also zum Beispiel – wie in Kalifornien – die Bewässerung von landwirtschaftlichen Kulturen intensiviert oder etwa auf trockenheitsresistentere Kulturen umstellt.

Indirekte Auswirkungen des Klimawandels oft unterschätzt

Die direkten Auswirkungen des Klimawandels auf die natürlichen Wassersysteme sind schon lange bekannt: Einerseits erhöhen sich die Wassertemperaturen in Bergregionen überdurchschnittlich. Andererseits verändern sich – durch zunehmende Sommertrockenheit und fortschreitendes Abschmelzen der Gletscher – auch die Wassermengen und Abflusszeiten in den Fliessgewässern. Dadurch sind nicht nur Wasserlebensräume und deren Artenvielfalt bedroht: Nimmt die Menge und die Qualität des Trinkwassers ab, leiden auch rund 1,5 Milliarden Menschen darunter, die von den Wasserressourcen aus diesen Bergregionen abhängig sind.

Weniger gut hingegen ist untersucht, wie sich die indirekten, also die vom Menschen als Anpassung an den Klimawandel ergriffenen, Massnahmen auswirken. Im Rahmen der hydrologischen Szenarien «Hydro-CH2018» des National Centre for Climate Services NCCS haben Forschende unter der Leitung von Christian Stamm (Eawag-Gruppenleiter) und Florian Altermatt (Eawag-Gruppenleiter und ausserordentlicher Professor an der Universität Zürich) deshalb die direkten und indirekten Auswirkungen auf die Qualität und Ökologie von Gewässern verglichen. Dabei haben sie festgestellt, dass die indirekten Effekte des Klimawandels die direkten Effekte nicht nur verstärken, sondern kurzfristig sogar übertreffen können.

Wichtiger Treiber ist neben der Landwirtschaft auch die Wasserkraft. Mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, forciert die Schweiz derzeit den Umstieg auf erneuerbare Energien und damit auch den Ausbau der Wasserkraft. Was für den Treibhausgasausstoss gut ist, wirkt sich aber oft negativ auf die Wassersysteme aus. Dazu sagt die Evolutionsbiologin und Erstautorin der Eawag-Studie Morgane Brosse: «Fliesst stromabwärts von Kraftwerken weniger Wasser, wird der Fluss wärmer und es besteht die Gefahr, dass sein Bett stellenweise austrocknet. Zudem bilden Staudämme oder Flusskraftwerke oft unüberwindbare Barrieren für Wasserorganismen.» Dies begünstige zum Beispiel Krankheiten oder vermindere die genetische Vielfalt – beides bereits Folgen des direkten Klimawandels, die so noch verstärkt würden, so die Forscherin.

Klimawandel und Biodiversitätsverlust gemeinsam angehen

Sollen wir in Zukunft also besser keine Klimamassnahmen ergreifen, oder welches Fazit zieht das Autorenteam nun aus dieser Studie? Brosse: «Es ist unbestritten, dass wir dringend etwas tun müssen, um den Klimawandel zu stoppen und seine direkten Auswirkungen auf alle Ökosysteme zu verringern. Aber wir müssen die Folgen der Massnahmen sorgfältig abwägen, damit wir mit unserem Handeln die Situation nicht noch verschlechtern.» Für den Bereich Landwirtschaft bedeute dies zum Beispiel, dass neue Nutzpflanzen nicht nur aufgrund ihrer Klima-Nische und Anbaufähigkeit bewertet werden, sondern auch hinsichtlich ihres Wasserbedarfs und Fussabdrucks von Düngemitteln und Pestiziden in den Gewässern. Insbesondere gehe es darum, so Brosse, die Fördergelder für die Landwirtschaft so auszurichten, dass sich neue Praktiken nicht zusätzlich negativ auf die Gewässersysteme auswirken.

Und in der Wasserkraft? Dazu sagt Brosse: «Nachhaltige Energieressourcen zu fördern, ist eminent wichtig. Es wird jedoch immer deutlicher, dass Wasserkraft zwar erneuerbar, aber ihre zu starke Nutzung in vielen Fällen nicht nachhaltig ist. Vor allem leidet die biologische Vielfalt, wenn bis zum letzten Tropfen Wasser genutzt wird. Gelingt es aber, die Nutzung der Stauseen so zu optimieren, dass nicht nur Strom produziert wird, sondern das gespeicherte Wasser auch eingesetzt werden kann, um Dürrezeiten zu überstehen, lassen sich sowohl für den Klimaschutz als auch für die Biodiversität gewinnbringende Lösungen finden.»

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